huyen; 33; wissenschaftlerin; frankfurter allee; 12.3.2022;
“ich komm ursprünglich aus vietnam und arbeite als postdoc in der biochemie an der humboldt-universität. bevor ich nach berlin kam, habe ich zehn jahre in japan gelebt. mein ph.d. habe ich dort gemacht – und dann hatte ich einfach das gefühl, noch etwas anderes sehen zu wollen. berlin ist meine erste station in europa.
ich bin im mai angekommen, das war noch am ende der pandemie. die stadt war halb leer, alles langsam am öffnen – das war ein schöner einstieg. alles hier ist so anders als in asien. am anfang war es ein kleiner kulturschock: die menschen, das leben auf der straße, alles ein bisschen roher. in japan ist alles sehr sicher, sehr strukturiert. hier habe ich erstmal die leute mit bierflasche und rotem gesicht rumlaufen gesehen – das war neu für mich. inzwischen weiß ich: wenn ich niemanden provoziere, passiert mir auch nichts.
ich finde berlin spannend. jeden tag ist irgendwas los, irgendwas anders. ich habe hier viel schneller kontakte geknüpft als damals in japan. menschen sprechen dich einfach auf der straße an. sowas kenne ich nicht – nicht mal aus asien.
ich weiß noch nicht wie lange hier bleiben werde. ich möchte erstmal mehr von deutschland und europa sehen. ein paar jahre vielleicht noch, dann vielleicht zurück in meine heimat. am meisten vermisse ich das essen. und die freundschaften aus japan. aber ich versuche, mich hier einzuleben.
der krieg in der ukraine macht mir grad am meisten sorgen. aber ich war beeindruckt, wie viele menschen hier gholfen haben. auf der frankfurter allee zum beispiel – wie sie spenden gesammelt haben. das war besonders. ich hoffe einfach, dass die menschen dort in sicherheit sind.”
